Archiv nach Monaten: November 2015

Terror und Horror

Hinrichtung Ludwigs des XVI. – Kupferstich aus dem Jahr 1793

Hinrichtung Ludwigs des XVI. – Kupferstich aus dem Jahr 1793 – Lizenz: gemeinfrei

Eine berühmte Wendung Ciceros lautet horribile dictu [1], schrecklich zu sagen, nur mit Schauder zu benennen. Sie gibt einen Hinweis auf den Bedeutungsunterschied zwischen Terror und Horror. Beide Begriffe, Terror und Horror, bedeuten zunächst Schrecken. Terror von lateinisch terror, Schrecken, Angst und Schrecken bereitendes GeschehenHorror von lateinisch horror , Starren, Erschauern, Schrecken, Grausen, Grauen.

Terror bedeutet die Verbreitung von Schrecken und Entsetzen. Horror bedeutet das Empfinden von Schrecken und Entsetzen. Ersteres wird ausgeübt durch existenzielle Bedrohung und Androhung von Unheil, letzteres wird ausgelöst, entsteht aus der eigenen inneren Empfindung.

Nicht immer war Terror nur negativ besetzt. Terror hatte früher auch die Konnotation von Abschreckung, also hatte Terror die Funktion eines staatlichen Instruments zur Verbrechensverhinderung. Noch drastischer trat dies durch die drakonischen Strafen und Foltermethoden im Mittelalter zutage. Es wurden Urteile exekutiert, die nicht wie heute unter Ausschluss der Öffentlichkeit vollstreckt wurden, sondern sogar noch die Französische Revolution, die Terrorherrschaft der Jakobiner, kennzeichneten. Sie wurden zu einer öffentlichen, blutrünstigen Darbietung, die eine Schaulust an Schauder und Entsetzen befriedigten, ein Merkmal des menschlichen Gemüts, dem noch immer heutige Horrorfilme nachkommen.

Terror soll also Horror hervorrufen. Indem er und in Angst und Schrecken versetzt, führt er zum Empfinden von Schrecken.

Dies ein ist klassisches Beispiel, um Kausativverben, Veranlassungsverben, zu erfassen.

Das regelmäßig gebeugte, transitive Verb jemanden erschrecken, Terror verbreiten, führt zum Erschrecken. So wird erschrecken zum intransitiven, also objektlosen, absoluten Verb, das  Empfinden von Horror ausdrückt. Man erschrickt, weil man erschreckt worden ist.

Wie im Verb erschrecken drücken sich darin unterschiedliche Vorgänge aus.

Dem Verb jemanden erschrecken, erschreckte, erschreckt entspricht Terror. Dem Verb erschrecken, erschrak, erschrocken entspricht Horror.

Terror bezieht sich auf ein objektives Tun, das Angst und Schrecken verbreitet. Der subjektive Horror ist der erlebte Zustand, der durch den Terror ausgelöst worden ist.

[1] horrible dictu ist eine erstarrte rhetorische Phrase, die grammatikalisch ein Supinum ll ist. Das Supinum ist ein der deutschen Grammatik fremdes Partizip des Futur. Beim Übersetzen behilft man sich deshalb mit einer Nebensatz- oder Infinitiv-Konstruktion: Es ist furchtbar, dies sagen zu müssen.

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Seminar für Griechische und Lateinische Philologie – Das lateinische Supinum (pdf)

Entschluss und Entscheidung

Die schwere Entscheidung (Junger Mann zwischen klösterlichen und weltlichem Leben)

Die schwere Entscheidung (Junger Mann zwischen klösterlichem und weltlichem Leben) – Lizenz: gemeinfrei

Im Lateinischen gibt es zwei unterschiedliche Ableitungen von decidere. Die eine geht auf fallen, cadere, zurück. Bei dieser fehlt naturgemäß das Partizip II, denn es ist intransitiv, also objektlos, das heißt nicht ins Passiv zu übertragen. Die andere Ableitung ist auf fällen, caedere, zurückzuführen.

Man kann beide Verben als Idealtypus eines Kausativs ansehen. Dann ist das Verb fällen kausativ, die Causa, der Grund, der Auslöser von fallen. Aus der Einsicht zweier unterschiedlicher zugrunde liegender Verben erschließt sich die Bedeutungsvielfalt von decidere.

In intransitiver Form hat das Verb eine Bedeutungsbreite zwischen figürlichem herabfallen und übertragenem hineingeraten, schwinden und sterben. In transitiver Bedeutung umfasst es ebenso Vielfältiges: von figürlich abschneiden, abhauen bis zu übertragen entscheiden, vereinbaren, abschließen (eines Vertrages).

Im sprachlichen Erbe finden sich etwa italienisch decidere, französisch décider, englisch to decide. Sie alle bezeichnen entscheiden, entschließen. Auch Ableitungen wie décision, decision, décidé, decided, dezidiert haben etwas mit Entschiedenheit oder Entschlossenheit zu tun.

Im Deutschen unterscheiden wir dazu zwei Verben, die auf den ersten Blick bedeutungsgleich erscheinen. Bei genauerer Betrachtung aber erkennt man ihre Verschiedenheit: Dem Verb entscheiden liegt scheiden zugrunde. Man scheidet, unterscheidet auch, in einem Entscheidungsprozess unterschiedlichen Aspekte, Fakten, Merkmale mehrerer, ja, eher zweier, Dinge. Ist dies geschehen, fällt man seine Entscheidung. Das ist dann eine Entscheidung zwischen Alternativen, die per definitionem zwei unterschiedliche Ausgänge bezeichnen.

Das Verb sich entschließen enthält neben dem Grundverb schließen das fast gleichbedeutende beschließen. Das Präfix ent- macht daraus etwas Endgültiges. Der Entschluss signalisiert, dass eine Klärung stattgefunden hat, deren Ergebnis nun entschlossen ausgeführt wird.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: sich entscheiden bezeichnet die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten, deren einer man beitritt. Die Entscheidung eines Gerichts bezieht sich demnach zunächst auf Alternativen – z. B.  Schuld oder Unschuld. Sie ist im genaueren Sinne der Beschluss einer höheren Instanz. Von beschließen ist der Weg nahe zu sich zu etwas entschließen. Es bedeutet umzusetzen, was aus einer Überlegung hervorgegangen ist. Daraus ergibt sich der Entschluss.