Die Jugend von heute …

Anything goes

Anything goes – Bildquellenangabe: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de

Von Generation zu Generation wird die Klage derjenigen laut, die sich als Träger und Bewahrer des Bestehenden sehen. Unvorstellbar, dass man diese komplizierte Welt je dem unbedachten Geist der Jugend anvertrauen, sie in deren lockere Hände geben kann!

Für uns Menschen gibt es eine Zeitakzeleration – die Zeit scheint mit zunehmendem Alter immer schneller zu verrinnen. Jede vor einem liegende Zeitspanne ist damit bereits kürzer als die gleiche vergangene. Das liegt daran, dass Gewohnheiten, bekannte Abläufe, weniger Aufmerksamkeit beanspruchen, weniger Spannung erzeugen, weniger Anspannung erfordern. Gewohnheit und Routine erleichtern das alltägliche Leben. Sie machen es auch weniger aufregend, setzen weniger Glanzpunkte. Damit nicht das Leben verrinnt wie ein träger Strom, setzen wir uns Fixpunkte, Feste, Ereignisse, die unser Seelenleben befeuern. Jeder Einschnitt im Leben wirkt wie ein neuer Angelpunkt, der der Erinnerung Halt gibt, der dem formlosen Auf und Ab Struktur gibt.

Ein Kind funktioniert anders. Jedes Ereignis, jeder Blick eröffnet Neues, Spannungsreiches, das erprobt, bewertet und behalten werden will. Kinder entdecken die Welt buchstäblich. Die Erwachsenen sind Halt, Rückhalt und Hilfe auf dieser Entdeckungstour.

Jugendliche haben das scheinbar hinter sich. Sie fühlen sich Kindern gegenüber aufgeklärt und abgeklärt, Erwachsene dagegen empfinden sie als Hemmschuh, erstarrt in ihrem Leben und Streben. Von beiden Lebensaltern wollen sie sich abgrenzen, sich vom Althergebrachten lösen, alles anders, neu, modern machen. Dieses Verhalten ist Teil der Identitätsbildung. Ein junger Mensch muss sich erproben und die Welt erfahren, um herauszufinden, was seine Aufgabe im Leben ist.
Jeder weiß, dass Warnungen vor dem Scheitern wenig ausrichten. Erfahrungen muss jeder selbst machen, um daraus zu lernen.

Erwachsene kanzeln jugendliche Unbeschwertheit, Unbefangenheit gegenüber Autoritäten und Institutionen, schnelle Entschlossenheit zu neuen Aufbrüchen und Begeisterungsfähigkeit für neue Projekte als Jugendtorheiten ab. Die tonangebenden Erwachsenen werden zu Alten, hilfsbedürftig und vergesslich. Die Kräfte schwinden. In dem Maße wie die Bedürftigkeit der Alten voranschreitet, wächst auch gesellschaftliche Verantwortung der Jungen.

Tröste man sich damit, dass die Klagen über jugendliche Verantwortungslosigkeit, Unbeherrschtheit, Unbescheidenheit und Ehrfurchtslosigkeit so alt sind, wie es menschliche Gesellschaften gibt. Zumindest schriftlich dokumentiert sind diese Klagen, seit es Schrift gibt, die man entziffern kann:

»Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe.« (Keilschrifttext aus Ur um 2000 v. Chr.) [1]

»Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.«
(Sokrates, 469 — 399 v. Chr.)

» … die Schüler achten Lehrer und Erzieher gering. Überhaupt, die Jüngeren stellen sich den Älteren gleich und treten gegen sie auf, in Wort und Tat.«
(Platon, 427 — 347v.Chr. »Der Staat«)

»Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere Jugend die Männer von morgen stellt. Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen.«
(Aristoteles 384 — 322 v. Chr.)

»Was nun die jungen Leute angeht, so sind sie heftig in ihrem Begehren und geneigt, ins Werk zu setzen, wonach ihr Begehren steht. Von den leiblichen Begierden sind es vorzugsweise die des Liebesgenusses, denen sie nachgehen, und in diesem Punkt sind sie alle ohne Selbstbeherrschung.«
(Aristoteles 384 — 322 v.C.)

»Die Welt macht schlimme Zeiten durch. Die jungen Leute von heute denken an nichts anderes als an sich selbst. Sie haben keine Ehrfurcht vor ihren Eltern oder dem Alter. Sie sind ungeduldig und unbeherrscht. Sie reden so, als wüssten sie alles, und was wir für weise halten, empfinden sie als Torheit. Und was die Mädchen betrifft, sie sind unbescheiden und unweiblich in ihrer Ausdrucksweise, ihrem Benehmen und ihrer Kleidung.«
(Mönch Peter, um 1274)

»Europas Jugend mangelt es an der Fähigkeit, auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen.«
(McKinsey, 2014)

[1] http://cad.sagepub.com/content/3/2/169.extract

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