William Blake – Demosthenes – Manchester City Gallery – Lizenz: gemeinfrei
Mit dem politischen und kulturellen Aufstieg Roms war auch die Kultur der politischen Rede unverzichtbar geworden. Sie ist das Vermächtnis griechischer Rhetoriker. Als deren wichtigster Vertreter gilt Demosthenes, ein Schüler Platons.
Durch den hellenistischen Einfluss – auf den Gebieten von Philosophie, Sprache und Wissenschaft – gelangte Rhetorik als Mittel der politischen Auseinandersetzung auch in der antiken römischen Republik und dem Kaiserreich Rom zu höchstem Ansehen. Zuerst wurde die rhetorische Ausbildung durch Miterleben, Nachahmung, Selbststudium und privaten Unterricht erworben. Die Jünglinge der Oberschicht wurden durch Vorbilder, Väter und Paten, in die politischen Kreise eingeführt, als deren Nachwuchs sie vorgesehen waren.
Öffentliche Rednerschulen, die werdende Politiker, Philosophen und Juristen rhetorisch ausbildeten, wurden erst jenseits der römischen Republik unter Kaiser Vespasian eröffnet. Die berühmteste war die von Quintilian [1], einem Verfechter der rhetorischen Strukturen Ciceros dessen Rhetorik, so kompliziert sie uns Heutigen auch erscheinen mag, für ungedrechselte, aber scharf pointierte Sprache stand, damit im Gegensatz stand zu anderen rhetorischen Ansätzen, die formale und gestelzte Herangehensweisen propagierten. Wie richtungweisend und angesehen die Rhetorik des Politikers, Anwalts und Philosphen Cicero [2] war, verrät die bis in heutige Zeit reichende Popularität seiner Reden und Schriften als unübertreffliche Beispiele gelungener politischer Rhetorik.
Die Rhetorik bedient sich, um ihrem ureigenen Gegenstand, der politischen Rede, gerecht zu werden, bestimmter abgestufter Techniken. Eines ihrer Ziele ist, der Rede Würze und Farbe zu verleihen, um die Aufmerksamkeit des Zuhörers zu binden. Ein anderes ist die Herausforderung des politischen Gegners: ihn zu packen, zu widerlegen, anzugreifen, aufzustacheln, ihn gar der Lächerlichkeit preiszugeben.
Man nennt diese Muster, die die politische Redekunst beherrschen, rhetorische Figuren. Darin wird ausgedrückt, dass sie einem theoretischen Ansatz folgen. Die Begriffe, die dieser Vorgabe gerecht werden, greifen in redefigürlichen Abstufungen ineinander. Das lässt sich an der Mehrstufigkeit verdeutlichen, die einen politischen Angriff kennzeichnet.
Eine solche Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner kann sich exemplarisch auf einer Stufenleiter zwischen Ironie und Polemik abspielen. Die rhetorische Terminologie ist dem Gegenstand entsprechend aus dem Griechischen entlehnt. Daran zeigt sich ihre Verwurzelung in der hellenistischen Kultur.
Angeführt wird dieses Mehrstufigkeit der Herausforderungen von dem Mittel der Ironie [3]; eirōneía bedeutet wörtlich „Verstellung, Vortäuschung“.
Die Ironie ist gekennzeichnet durch Indirektheit. Die eigentlich gemeinte – meist negative – Bewertung wird nicht direkt, sondern positiv verschlüsselt ausgedrückt. Voraussetzung für das Verständnis von Ironie ist das Erkennen der Verstellung. Mithin reflektiert die Ironie sowohl das eigene Wissen über die Täuschung als auch die Kenntnis dieses Wissens beim Gegenüber. Ironie ist in ein Verhältnis sozialen Gefälles eingebunden: Der Ironiker begreift sich darin als den Überlegenen, der den anderen mit der ironischen Bemerkung in Verlegenheit bringt und belehrt.
Polemik ist als die äußerste Zuspitzung der andere Pol der pölitischen Auseinandersetzung.
Der Begriff Polemik geht auf den altgriechischen Begriff pólemos ‚“Krieg, Streit“ zurück.[6]
Ein polemischer Angriff bezeichnet eine scharfe, gerade auch persönliche Kritik ohne sachliche Argumente. Die Polemik nimmt auf den Gegner keine Rücksicht, ist bereit, ihn zu verspotten und zu verhöhnen. Übertragen auf andere Konflikte bezeichnet man auch denjenige Polemiker, der eine verletzende, streitsüchtige Auseinandersetzungen betreibt.
Zwischen beiden, der Ironie und der Polemik, sind Sarkasmus [4] und Zynismus [5] angesiedelt.
Sarkasmus leitet sich ab von altgriechisch sarkasmós „Zerfleischung“, ein Bild für beißenden Spott. Sarkasmus zielt auf den Gegner, der rücksichtslos – beißend – ins Visier genommen wird.
Zynismus hat sich in seiner Bedeutung gewandelt. Zugrunde liegt ihm altgriechisch kyon, Hund, Wörtlich übersetzt bedeutet kynismós „Hündigkeit“. Das bezieht sich auf die griechische Philosophenschule der Kyniker, die ein bedürfnisloses Leben verfolgten. Zynismus beschreibt heute eine unsoziale und verächtliche Lebenseinstellung, die auf die Gefühle anderer bewusst verletztt.
Während Sarkasmus eine verbale Attacke ist und sich damit als rhetorisches Mittel ausweist, ist dem Zynismus dieses eindeutig rhetorische Merkmal nicht zweifelsfrei zu eigen. Denn Zynismus kann man auch als Ergebnis misslungener gesellschaftlicher Integration verstehen.
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Quintilian
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Marcus_Tullius_Cicero#Rhetorische_Schriften
[3]Der Name entstammt dem Altgriechischen: εἰρωνεία eirōneía, wörtlich „Verstellung, Vortäuschung“
/de.wikipedia.org/wiki/Ironie
[4] Sarkasmus, von σαρκασμός sarkasmós „die Zerfleischung, der beißende Spott“, von altgriechisch sarkazein „sich das Maul zerreißen, zerfleischen, verhöhnen“, von σάρξ sarx „das (rohe) Fleisch“
https://de.wikipedia.org/wiki/Sarkasmus
[5] Zynismus, von griechisch κυνισμός kynismós, wörtlich „Hündigkeit“ von κύων, kyon, „Hund“
[6] Polemik, von griechisch πολεμικός polemikós ‚feindselig‘ bzw. πόλεμος pólemos ‚Krieg, Streit‘
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