Bufo alvarius (Colorado-Kröte) – Urheber: Wildfeuer – Lizenz: GNU-Lizenz für freie Dokumentation
Als ich ein kleines Kind war und sich meine Vorstellungswelt noch aus Grimms Märchen, die der Großvater vorlas, in kindlichem Ernst belebte, da dachte ich bei vierschrötig an plumpe Kröten, die einen unförmigen Körper auf ihren vier angewinkelten Beinen tragen. Im Märchen ist die Kröte Inbild von Grobschlächtigkeit, Schwerfälligkeit und Trägheit – Kröten die auf dem Grund von Brunnen hausen, Kröten, die ihre beweglichen Töchter ausschicken, die geheimnisvolle „große Schachtel“ herzubringen, Kröten, die gleich dem zum Frosch verzauberten Prinzen, Ekelgefühle bei Prinzessinnen hervorrufen. Kröten sind also vierschrötig, unförmig, unterirdisch.
Dieses naive Bild von Vierschrötigkeit ist mir bis heute geblieben, ungeachtet falscher Zuordnung des Anfangskonsonanten.
Doch vierschrötig ist eine Übertragung, die aus dem Umfeld des Berufs des Schröters stammt. Der Schröter – Schröder – oder speziell der Weinschröter [1] – war ein Beruf, der mit dem Verbringen und Verladen von Fässern beschäftigt war, eine gefährliche, kraftzehrende Arbeit, bedenkt man, welche Kräfte dabei zu überwinden und zu mobilisieren waren [2].
Ursprünglich bedeutet das Verb „schroten“, wie sich aus der Bewegung von Fässern ablesen lässt, wälzen [3], später „in eine vierkantige Form schneiden“, wie man sich das Schneiden, also Schroten von Getreide vorzustellen vermag.
Fässer haben, um sie zum Rollen bringen zu können, eine runde Form, deren hölzerne Teile durch umlaufende eiserne Reifen zusammengehalten wird. Dem Transport auf einem Wagen ist diese Form eher abträglich. Deshalb war es die Aufgabe des Schröters, diese missliche Eigenschaft von Fässern zu beheben, indem er er sie schröterte, um eine Vierschrötigkeit herzustellen. Es bedeutete also, Fässer so zu behauen, dass seitliche Flächen entstanden, sie zu angedeuteten vierseitigen Quadern zu bearbeiten. Dazu bedurfte er eines kräftigen Werkzeugs – der berufstypischen Kombination aus Hammer und Meißel. Das erklärt vierschrötig als vierkantig, grob behauen und schwer beweglich.
Ein Vierschrot, Vierschröter, als Adjektiv vierschrötig, ist im übertragenen Sinn dann etwa die Anmutung eines kräftigen Ochsen als Zugtier, schließlich die eines Menschen von grober, derber und ungeschlachter Gestalt [4].
[1] Bekannt ist der Name aus dem Titel des Roman „Weinschröter, du musst hängen“ von Doris Gerke.
[2] Grammatisch-Kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart – Der Schröter
[3] „Von schroten, wälzen, schieben, sind die Schröter gewisse verpflichtete Arbeiter, welche das in Fässern befindliche Getränke in die Keller und aus denselben schroten“ ebda
[4] „… übertragen auf körperformen, grosz, kräftig, dann verschlimmert derb, grob: vierschröt, das ist, mächtig ochsen, quadrati boves Maaler 448a; von hertzog Carol von Burgund liszt man, das jm ein groszer wilder fürschretter man ward geschencket Franck sprüchw. 1, 155b
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